Steingut, Irdenware, Sonntags- und Gebrauchskeramik – Hafnerware als Spiegel der regionalen Alltagsgeschichte
Wer alte Häuser restauriert und diese dann bewohnt, der lebt vorzugsweise auch in historischer Möbelierung und volkskundlichem Inventar. Ein Bezug zu „alten Scherben“ ist da programmiert.
Bäuerliche Kultur, Milchwirtschaft und Lagerwirtschaft brachten eine funktionelle und eigene Formsprache hervor, die sich in nutzbaren Hafnerwaren wiederfindet. Egal, ob es sich um Lagerkeramik (Steingut), Kochkeramik (Irdenware) oder Sonn- und Alltagskeramik handelt, jede dieser Verwendung führte zu einer eigenen Form bäuerlicher oder bürgerlicher Keramik.
Gebrauchskeramik zu sammeln oder zu archivieren war Ede Bernt ein Bedürfnis, erzählt doch jedes der mehr als 800 gesammelten Exemplare ein Stück Alltagsgeschichte aus acht Jahrhunderten.
Seit dem späten Mittelalter hatte jeder größere Flecken seinen eigenen Hafner, der die gleichen Gefäße in gleichbleibender Qualität mit dem ihm eigenen Dekor herstellte. Als Grundstoff diente bei uns schwerer Löslehm. Das irdene Geschirr war sehr spröde, konnte aber zum Kochen, Braten oder Backen genutzt werden. Allerdings verfingen sich in den feinen Rissen der Irdenware Geschmacksstoffe, die auf Dauer die Qualität anderer Speisen beeinträchtigten. Deshalb blieb trotz Glasur die Nutzung meist auf ein Produkt beschränkt.
So war beispielsweise der typisch schwäbische Bockseckel ein Gefäß nur für Sauermilch und andere Milchprodukte. Seit dem 16. Jahrhundert setzte sich immer mehr das geschmacksneutrale und relativ stabile Steinzeug aus dem Westerwald und vom Niederrhein durch, das sich allerdings nicht erhitzen ließ.
Im bäuerlichen Bereich waren noch Mitte des 19. Jahrhunderts bis zu 80 Prozent des sogenannten Bankgeschirrs Holzgefäße, die, waren sie kaputt, im Ofen verheizt wurden.
Doch auch die Alltagskeramik zerbrach in schonungsloser Nutzung, weitergegeben wurden meist nur die attraktivsten Teile. Bei den Hochzeits- oder Blumenschüsseln kam es weniger auf Funktionalität als auf Schönheit an. Ein Schüsselriemen, auch Schüsselregal oder „Prahlhans“ genannt, gehörte zu den wichtigsten Möbelstücken in der Küche. Mit der Industrialisierung drängte Geschirr aus Emaille und Weißblech auf den Markt. Das war billiger, haltbarer und brachte das traditionelle Töpferhandwerk zum Erliegen. Im Jahr 1950 schloss der letzte Hafner unserer Region in Heimsheim seine Werkstatt.